Praktischer Teil
V. Kapitel.
Grausamkeit. — Gewissen. — Perversion und Neurose.
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Der nächste Zweck dieser aufgepeitschten Grausamkeit ist, die stets gegenwärtigen, gleichzeitigen Möglichkeiten der Schwäche, des [144] Mitleids, weil sie zur männlichen Leitlinie in Gegensatz stehen, nicht auftauchen und wirksam werden zu lassen. Die allgemeine Verbreitung dieses Hanges, männlich zu sein, der zur Überlegenheit über den anderen führen soll, erweist sich nirgends so deutlich wie an der unschuldigen Schadenfreude; beim Nervösen kann diese allerdings überaus stark betont werden und auf die unsinnigste Art zur Erhöhung des Persönlichkeitsgefühls verwendet werden. Larochefoucauld spricht es in seiner neckischen Weise aus, „dass es im Unglück unserer Freunde etwas gäbe, was uns nicht ganz unangenehm sei“.
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Eine Neigung für Antivivisektion, Vegetarianismus, Tierschutz, Wohltätigkeit zeichnet oft diese guten Kenner fremden Leides aus, sie können keine Gans bluten sehen, „klatschen aber in die Hände, wenn ihr Gegner bankerott von der Börse geht“. Ihr Hang zum Sektierertum stammt aus einem feindseligen, antisozialen Zug, und ebenso die heftige Bestreitung fremder Geltung, die sie oft vornehmen, bevor sie ein Urteil haben. Toleranz ist ihnen fremd, sofern sie sie nicht selbst schreiend einfordern.
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